Kommentar

Vegtember und die Kinder

Ein Kommentar von Christian Stehr

Die Ernährungsgewohnheiten von meiner Freundin und mir würde man heutzutage gemeinhin als Flexitarismus [1] bezeichnen: wir essen nur äußerstselten Fleisch oder Fisch, meistens in Situationen, in denen wir zum Essen eingeladen werden. Die Herausforderung für uns im #Vegtember auf Fleisch und Fisch zu verzichten ist also eigentlich keine besonders große und fällt auch kaum irgendjemandem auf. Es ergab sich allerdings an einem Sonntag, an dem meine Eltern zum gemeinsamen Frühstück einluden, die Situation, dass mein neunjähriger Neffe uns fragte, warum man denn kein Fleisch essen sollte. Fleisch sei schließlich lecker und man würde ja auch keine bedrohten Tiere essen. Interessante Aussagen eines Neunjährigen, die so natürlich auch häufig von Erwachsenen gemacht werden. Darauf kann man eine Menge erwidern, wovon das meiste irgendwie mit Umwelt und so zu tun hat. Am einfachsten und wirkungsvollsten (aber sicher auch traumatischsten) wäre es sicherlich ihm einfach genau zu erklären, wie in der “modernen” Fleischindustrie mit Tieren (und Menschen) umgegangen wird. Der enorme Fleischhunger der Deutschen führt zu immer weniger aber größeren Betrieben, die auf Kosten von Menschen und Tieren immer weiter optimiert werden. So wurden beispielsweise im Jahr 2018 77% aller Schweine in Betrieben mit mehr als 1000 Schweinen gehalten.[2] Unseren Kindern erzählen wir aber weiterhin von der Idylle auf Old MacDonald’s Farm. Wahrscheinlich aus Selbstschutz und um uns nicht mit unseren eigenen Moralvorstellungen auseinandersetzen zu müssen. Eigentlich möchten wir doch auch alle wieder zu dieser Idylle zurück. Aber wir können nicht. Weil es doch so lecker ist.
 
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Flexitarismus
[2] https://www.bauernverband.de/situationsbe
richt/3-agrarstruktur/33-betriebe-und-betriebsgroessen
Christian Stehr

Christian Stehr